Vom Pendeln zwischen zwei Welten

Ich lebe in zwei Welten. Eine ist hier zu Hause auf dem Land – und die andere ist die Großstadt, in der ich arbeite.
Unser Dorf hat um die 120 Einwohner; Schafe / Pferde / Hühner etc. nicht mitgerechnet.
Köln hingegen kommt auf über eine Million Einwohner, plus die mehr als 315.000 Berufspendler, die ebenso wie ich jeden Tag von außerhalb in die Stadt strömen.

Eben noch laufe ich mit dem Hund einen schmalen Feldweg entlang, höre nichts als das Zwitschern unzähliger Vögel und beobachte auf dem gegenüberliegenden Hügel zwei Rehe. Kurz darauf quetsche ich mich zusammen mit einem ganzen Pulk anderer Fahrgäste aus dem Zug heraus auf einen hoffnungslos überfüllten Bahnsteig, kämpfe mich über Trolleys und Koffer hinweg zur Treppe vor, während dröhnende Lautsprecheransagen über Dutzende Unterhaltungen und Kindergeschrei hinweg fluten und die Luft geschwängert ist vom Geruch nach Zigaretten, Döner, viel zu viel Parfüm und verbranntem Gummi.
Hach ja, das Pendeln.
Meine Kölner Kollegen sind oft irritiert zu hören, wie lange ich zur Arbeit brauche. Dass ich freiwillig nach so weit außerhalb gezogen bin und trotzdem weiterhin in Köln arbeiten werde. Wie ich mir unterwegs denn die Zeit vertreiben würde? Und ob das nicht Zeitverschwendung sei?
Daher gibt es heute mal einen Beitrag zum Thema Pendeln. 🙂

Wie komme ich zur Arbeit? Und wie lange dauert das Pendeln?
Morgens verlasse ich um 7.45 Uhr das Haus.
Mit dem Auto fahre ich 15km bis zum nächstgelegenen Bahnhof. Eigentlich brauche ich für die Strecke rund 22 Minuten – wenn da nicht die ganzen anderen Autofahrer wären, vierAmpeln und ein Bahnübergang. Da dauert die Fahrt schon mal 10 oder 15 Minuten länger.
Immerhin – mit dem Bus wären es 40 Minuten bis zum Bahnhof, und der fährt nur einmal pro Stunde. Leider ist die Strecke ziemlich hügelig und mangels Radwegen auf engen, kurvigen Straßen im Berufsverkehr recht gefährlich, deswegen nehme ich da nicht das Fahrrad.
Am Bahnhof Hennef gibt es praktischerweise ein kostenloses Park & Ride-Parkhaus. Um den benötigten Parkausweis zu erhalten, musste ich im Rathaus einfach mein Jobticket vorzeigen.
Obwohl Hennef ein eher kleiner Bahnhof ist mit nur drei Bahnsteigen, verkehren hier immerhin drei verschiedene Linien: zwei S-Bahnen und ein RE. Dadurch muss ich nie allzu lange auf einen Zug warten.
Die S-Bahn braucht 37 Minuten bis zum Kölner Hauptbahnhof, der RE 27 Minuten. Meistens erwische ich die S-Bahn.
Vom Hauptbahnhof aus laufe ich dann noch rund zehn Minuten bis zur Firma, wo ich gegen 9.15 Uhr ankomme.

Insgesamt bin ich also rund anderthalb Stunden unterwegs – und abends folgt das gleiche Spiel in die Gegenrichtung.
3 Stunden täglich unterwegs – wie hält man das aus?
Das ist erstmal eine ganze Menge Zeit, ja. Zusammengerechnet sind das 15 Stunden pro Woche, also fast zwei zusätzliche Arbeitstage.
Morgens im Auto genieße ich die Ruhe. In der Bahn lese ich – zu Hause komme ich fast nie zum Lesen, aber dank der Pendelei schaffe ich rund 50 Bücher pro Jahr. 😀
Wenn mir die Gespräche der Mitreisenden zu doof werden, stöpsele ich meinen iPod ein und höre halt Musik.
Auf der Rückfahrt im Auto schalte ich abends meistens das Radio ein und höre mir zumindest die Nachrichten an. Morgens informiere ich mich beim Frühstück über einige Online-Zeitungen, abends bekomme ich so dann nochmal in Kurzform mit, was sich im Laufe des Tages ereignet hat.

Übrigens bin ich es gar nicht anders gewohnt, als immer relativ lange von A nach B zu brauchen.
Ich bin ja auf dem Land aufgewachsen, nur wenige Kilometer entfernt von hier. Schon zum Kindergarten mussten mich meine Eltern mit dem Auto bringen. Der Bus zur Grundschule benötigte rund 20 Minuten, und um später mit dem Linienbus zum Gymnasium zu kommen, musste ich erst einmal die 5 Kilometer bis zur Bushaltestelle zurücklegen.
Während des Studiums habe ich in verschiedenen Städten gewohnt und auch da war ich immer relativ lange zur Uni unterwegs. Selbst, als ich in Köln gewohnt habe – da hat eine Strecke auch 40 Minuten gedauert. (Immerhin war dafür die Miete bezahlbar. 😉 )

Und als wir noch in Leverkusen gewohnt haben – merke: die beiden Städte Köln und Leverkusen grenzen quasi aneinander – habe ich tatsächlich auch eine knappe Stunde pro Strecke gebraucht.
Daher kenne ich es gar nicht anders. 😉
Für den Besten hingegen ist das Pendeln eine Umstellung. In Leverkusen konnte er zu Fuß zur Arbeit gehen, jetzt ist er rund 45 Minuten mit dem Auto unterwegs. Aber dank Schichtdienst fährt er zumindest zu Zeiten, wo sonst nicht viel los ist auf den Straßen.
Und warum nehme ich nicht einfach komplett das Auto?
Wenn die Straßen frei wären, wären es mit dem Auto nur etwa 40 Minuten pro Strecke, also rund doppelt so schnell.
Tja, wenn. Hallo Autobahn, hallo Stau. 🙂
Trotz flexibler Arbeitszeiten gibt es bei uns eine bestimmte Kernarbeitszeit, in der man da sein sollte, weil dann Meetings stattfinden. Und dadurch käme ich zumindest auf einer der beiden Strecken voll in den Berufsverkehr.
In der Bahn vertreibe ich mir die Zeit, wie gesagt, mit Lesen. Im Auto ginge das schlecht, und wenig nervt mich so sehr, wie im Stau zu stehen. Das tue ich mir nicht freiwillig jeden Tag an.
Die Umwelt dankt es natürlich ebenfalls, wenn möglichst viele Pendler die Öffentlichen benutzen.
Nicht zuletzt ist es auch eine Geldfrage. So ein Stellplatz in der Kölner Innenstadt kostet einen dreistelligen Betrag pro Monat – und dazu kommen dann halt noch die Spritkosten. Das Geld hebe ich mir lieber für andere Dinge auf. Mein Jobticket kostet mich rund 50€ pro Monat und damit kann ich nicht nur zwischen Zuhause und der Arbeit pendeln, sondern im gesamten Verkehrsverbund fahren – das ist schon praktisch.

Nervt das Pendeln nicht trotzdem?
Klar, in einer idealen Welt könnte ich mir diesen Arbeitsweg sparen, mit der Zeit wüsste ich schon etwas anderes anzustellen. 😉
Aber in meiner Branche schlägt das Herz nun mal in der Medienstadt Köln und nicht auf dem Land… und auf Dauer ist Home Office auch etwas öde.
Abends nach Hause aufs Land zu kommen und im letzten Licht des Tages die Ponys auf der Weide nebenan grasen zu sehen, die Stille um mich herum zu genießen, nachdem ich das Garagentor zugemacht habe… das ist schon verdammt toll und entschädigt für die ganze Pendelei. Um nichts in der Welt würde ich hier wieder wegziehen wollen – nie wieder Stadt! Letztlich bin ich halt doch ein Dorfkind. 😀
Noch mehr Pendler hier?
Wie kommst du zur Arbeit / zur Ausbildung? Wie lange bist du unterwegs, und was wäre für dich die Obergrenze?
Und wie vertreibst du dir unterwegs die Zeit?